Analog vs. Digital – Klingt Musik von Vinyl wirklich besser?

Eine Vinylscheibe hat für mich als DJ die bessere Handhabung beim Cue setzen und einstarten… aber auch das ist reine Übungssache… es legt sich cooler auf… digital gibt mir dagegen einfachere Möglichkeiten durch z.B. Loops die Musik zu mischen…

Mit Vinylplatten und der technischen Gefahr von Rückkopplung über die Nadel, wage ich außerdem zu behaupten, dass es früher weniger DJs gab, die Gehörschädigend zu laut gespielt haben…

Zu Hause steht die Platten spielbereit, im Club lasse ich sie gerne zu Hause und stehe dazu…

Technisch sieht es so aus:

Auf Vinyl gespeicherte Musik erlebt derzeit ein Riesen-Comeback. Die Frage, ob CD, Files oder auf Schallplatte gespeicherte Musik “besser” klingt, spaltet die Musikfans. Manchmal drängt sich das Gefühl auf, dass die härtesten Kommentarschlachten im Netz nicht zwischen politischen Lagern, sondern zwischen den analogen und digitalen Musikhörern stattfinden.

Das ist schade, denn fast alle an diesen mit unglaublicher Vehemenz geführten Schlachten Beteiligten eint ihre Liebe zu Musik. Sie gehören zur Minderheit derer, die viel Geld für Musik ausgeben, egal, welches Medium sie präferieren. Diese Schlacht ist eigentlich vollkommen unnötig und beruht hauptsächlich auf einem Missverständnis, beziehungsweise auf zwei verschiedenen Interpretationen dessen, was “guter Klang” bedeutet.

“Guter Klang” – Ein Ausdruck, zwei Bedeutungen

Die einen sagen, etwas “klingt gut”, wenn der Klang ihnen zusagt. Das ist die Musikersicht. Ein schönes Beispiel dafür ist der Klang einer verzerrten E-Gitarre, dem konstituierenden Element für Rockmusik. Es entstand ursprünglich daraus, dass ein Gitarrenverstärker so laut aufgedreht wurde, bis der eigentliche Klang der Gitarre durch den übersteuerten Verstärker bis zur Unkenntlichkeit zerstört war. Das Ergebnis klingt nicht mehr wir eine Gitarre, aber der Sound gefiel und gefällt dennoch Millionen von Menschen, weil es einfach “gut klingt”.

Verzerrt und dennoch angenehm für die Ohren: Der Sound einer klassischen Rockgitarre.

Die anderen nutzen den Ausdruck “guter Klang” als Synonym für “hohe Klangtreue”, also der möglichst naturgetreuen Wiedergabe dessen, was der Toningenieur beim Abmischen einer Aufnahme im Studio gehört hat. Das ist das, was wir “High Fidelity” nennen.

“Guter Klang” bedeutet nach dieser Definition bestenfalls, dass die Wiedergabekette überhaupt nicht klingt, den Sound auf seinem Weg von der Aufnahme bis zur Wiedergabe möglichst wenig verändert wird. Es heißt “High Fidelity”, nicht “Perfect Fidelity”, weil es immer nur eine Annäherung an den ursprünglichen Sound geben kann.

Und genau dieser Punkt ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Diskussion. Schallplatten waren nie ein besonders gutes Medium für High Fidelity, aber sie waren jahrzehntelang das beste Medium, auf das Endverbraucher Zugriff hatten. Bis die CD kam.

Messtechnisch zieht die Schallplatte den Kürzeren

Vergleicht man die CD und die Schallplatte unter dem Kriterium “High Fidelity”, zieht die Schallplatte nicht nur den Kürzeren, sie wird messtechnisch vollkommen von der CD bei sämtlichen relevanten Kriterien deklassiert. Es folgen ein paar Beispiele.

Unter Dynamik versteht man den Unterschied zwischen dem leisesten und dem lautesten Ton eines Musikstücks. Während sämtliche digitalen Medien, selbst MP3, locker 90 dB erreichen und damit sogar den Dynamikbereich eines großen Sinfonieorchesters abbilden können, schafft die Schallplatte in der Praxis kaum mehr als 40 dB. Genug für Popmusik, aber schon eine gut aufgenommene kleine Jazzband, wie die aus unserem Klangbeispiel, wird für die Schallplatte zum Problem. In den leisen Stellen wären die vinyltypischen Nebengeräusche schon deutlich hörbar.

Apropos Störgeräusche: Das vinyltypischen Rauschen, das tieffrequente Rumpeln und die durch Staubkörnchen in der Rille verursachten Knackser sind auch deswegen so auffällig, weil sie unregelmäßig auftreten. Das Rauschen einer Compactcassette ist konstanter, so dass das Hirn es besser wegfiltern kann. Digitale Aufnahmen sind praktisch rauschfrei.

Um Musik möglichst unverfälscht darzustellen, sollten alle Frequenzen des hörbaren Spektrums zwischen 20 Hz und 20 Kilohertz gleich laut wiedergegeben werden. Bei digitalen Medien sehen die Frequenzgänge aus wie mit dem Lineal gezogen. Schallplatten können in der Regel Frequenzen bis maximal 12 Kilohertz linear wiedergeben und das gilt auch nur für die äußersten Rillen am Anfang einer Seite. Durch die abnehmende Bahngeschwindigkeit zum Ende der Rille hin fällt die höchste übertragbare Frequenz im Laufe der Spielzeit einer Schallplatte immer weiter ab, was man übrigens deutlich hören kann. Für das tiefe Ende des Spektrums gilt: Je tiefer und lauter der Bass, desto mehr Platz benötigt er in der Rille, was die mögliche Spielzeit verkürzt. Bei Langspielplatten muss man immer einen Kompromiss zwischen Basspegel und Spielzeit suchen.

Ein wichtiges Maß dafür, wie klangtreu ein Wiedergabemedium ist, stellen die Verzerrungen dar, die zur eigentlichen Musik addiert werden. Speziell im Bassbereich kommt die Schallplatte auf Werte, die das ursprüngliche Signal schon deutlich verändern.

Im Prinzip funktioniert ein Tonabnehmersystem wie ein Mikrofon. Es wandelt mechanische Energie in elektrische um. Diese mechanische Energie kommt nicht nur aus den Rillen der Schallplatte, sondern auch vom Schall aus den Lautsprechern. Je lauter man Musik vom Schallplattenspieler hört, desto mehr Rückkopplung hört man auch. Und Rückkopplungen lassen Impulse in der Musik, wie beispielsweise den Klang von Trommeln, verschwimmen. Zu Hause bei moderaten Lautstärken ist das eher zu vernachlässigen, im Club nicht.

Dank dieser (und einiger anderer) technischen Unzulänglichkeiten schafft die Schallplatte nicht einmal in allen Punkten die Forderungen der altehrwürdigen DIN Norm mit der Nr. 45500 zu erfüllen, die seit den Sechzigerjahren die offizielle Messlatte für High Fidelity definiert.

Lesetipp: Digitaler Abfall – Der Geist im MP3

Nicht totzukriegen: Gerüchte über Digitaltechnik

Umgekehrt kursieren über Digitaltechnik auch heute noch Gerüchte und falsche Angaben, für die zum Teil längst überwundene Probleme aus den Anfangstagen der Compact Disc und krasse Missinterpretationen darüber, wie Digitalisierung funktioniert, verantwortlich sind.

Immer wieder kann man lesen, Digitaltechnik würde einen kleineren Frequenzbereich abdecken als analoge. Das stimmt in der Theorie tatsächlich, denn CDs sind zum Beispiel mit Filtern auf den Bereich zwischen 20 Hertz und 20 Kilohertz begrenzt.

Allerdings ist das einerseits genau der Bereich, den unser Gehör prinzipbedingt abdecken kann und andererseits ist es reine Theorie, das Analogtechnik einen größeren Frequenzumfang darstellen kann. In der Praxis werden zum Beispiel die Schneidstichel, mit denen die Musik in die Matrizen geritzt wird, aus denen das Vinyl gemacht wird, bei hohen Frequenzen mit hohem Pegel sehr schnell sehr heiß und begrenzen den Frequenzgang so nach oben.

Freunde analoger Musikspeicherung sprechen der Digitaltechnik gerne überhaupt die Fähigkeiten ab, Musik richtig darzustellen und das liegt an der diskreten Abtastung. Die Wellen, aus denen Töne bestehen sind kontinuierliche Ereignisse, während Computer nur diskrete Zustände kennen. Sie können also, so lautet das populäre Missverständnis, Wellen nie in ihrer Gesamtheit erfassen. Die Wellenformen wären nach der Digitalisierung nicht mehr rund, sondern treppenförmig. Das ist aber einfach nicht richtig. Das Abtastheorem nach Niyquist-Shannon besagt ganz klar, dass das ursprüngliche Signal exakt wiederhergestellt werden kann und nicht nur näherungsweise.

Wenn all diese Fakten stimmen und die Schallplatte der CD so hoffnungslos unterlegen ist, warum behaupten denn dann so viele Menschen, dass die Schallplatte “besser klingt”?

Schallplatte und Tonabnehmer unter dem Mikroskop

Zum Teil stammen diese Vorurteile aus den Anfangstagen der CD, als die Techniker den Umgang mit dem neuen Medium erst noch erlernen mussten. Den größten Einfluss dürften aber Gewöhnungseffekte haben. Der “warme” Klang der Schallplatte hat hauptsächlich zwei Gründe: Den reduzierten Höhenpegel und die Verzerrungen im Bassbereich. Sogenannte harmonische Verzerrungen werden oft als angenehm empfunden, wie das Ausgangsbeispiel mit dem Sound der Rockgitarre zeigt.

Das heißt, die CD klingt für manche Ohren steril und kalt, weil ihr die liebgewonnenen Unzulänglichkeiten der Schallplatte fehlen. Die Plattenliebhaber mögen ganz einfach den Sound des schwarzen Goldes, wie es liebevoll genannt wird. Und wissen Sie was? Das ist vollkommen okay. Musikhören ist keine objektive Wissenschaft, es ist etwas, das vor allem Emotionen triggert.

Es könnte so einfach sein. Würden viele Schallplattenfans nicht nach Art der Esoteriker, Fakten, die nicht ins Weltbild passen, negieren und würden umgekehrt die Anhänger der Klangtreue zugeben können, dass es so etwas wie die perfekte Wiedergabe sowieso nicht geben kann, könnten die beiden Lager endlich Frieden schließen und jeder könnte das Medium nutzen, dass subjektiv den größten Genuss verspricht. Oder einfach wieder mehr über die Musik anstatt über das Speichermedium sprechen.

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Klangunterschiede sind überbewertet

Das wäre alleine schon deswegen dringend geboten, weil sich beide Seiten mit der Überbetonung der unterschiedlichen Klangcharakteristika ihres Lieblingsmediums einfach lächerlich machen. Haben sie schon mal den direkten Vergleich gemacht? Wir schon, immer und immer wieder.

Die Unterschiede sind bei Licht betrachtet verschwindend gering. Ganz allgemein neigen beide Seiten dazu, für den Musikgenuss ziemlich unerhebliche Werte zu vergleichen. Die Schallplatte kann die allerletzten Obertöne nicht korrekt darstellen? So what, 99 Prozent aller Menschen merken das nicht einmal im direkten Vergleich, weil praktisch jedes Gehör von einer zivilisatorischen Errungenschaft namens “Lärm” geschädigt ist.

Die CD kommt noch ein paar Hertz tiefer? Was soll das bringen, wenn die meisten Menschen keine Lautsprecher zu Hause haben, die die allerschwärzesten Bässe darstellen könnten.

Die CD verfügt über den überlegenen Dynamikbereich? Who cares, in fast allen Hörsituationen außerhalb des Konzertsaals wirkt viel Dynamik nur störend. Auf den Hörer, vor allem aber auf sein soziales Gefüge.

Musik ist eine universelle Sprache. Die Unterschiede zwischen den Speichermedien entsprechen dabei maximal denen zwischen – sagen wir mal – dem sächsischen und dem Thüringer Dialekt. Für Thüringer und Sachsen können sie sinnstiftend sein, der Rest der Welt weiß nicht einmal, wovon die Rede ist.

(Quelle: blogrebellen.de)

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